Kein Anfahrtsweg mehr zur Praxis, keine langen Wartezeiten im Wartezimmer und ganz bequem von zuhause aus mit dem Arzt kommunizieren. Klingt nahezu unrealistisch, ist aber heutzutage in vielen Ländern bereits gängige Praxis. Das ist nur ein Beispiel von vielen: Die Telemedizin hat noch einiges mehr zu bieten als nur Online-Sprechstunden.

Ziel ist das Erbringen medizinischer Leistungen, trotz räumlicher Entfernung, mit Hilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnologien, die zur Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und Überwachung dienen.

Doch welche Anwendungsbereiche gibt es noch und wo stößt sie an ihre Grenzen?

 

Videosprechstunden

Eine wichtige telemedizinische Leistung stellt die Videosprechstunde dar. Seit 2017 dürfen bestimmte Fachärzte, Videosprechstunden anbieten und abrechnen. Auch mit dem E-Health-Gesetz, das 2015 verabschiedet wurde, will man Online-Sprechstunden vorantreiben.

In einer Online-Sprechstunde erfolgt die Behandlung via Bildschirm, wodurch eine räumliche Flexibilität ermöglicht wird. Dazu benötigen die Teilnehmer (Patient /Arzt) lediglich ein Endgerät wie z. B. PC, Laptop, Tablet oder ein Smartphone mit Kamera, Mikrofon und Lautsprecher sowie eine stabile Internetverbindung.

Wichtig ist, dass Online-Sprechstunden in geschlossenen Räumen stattfinden müssen, um die Atmosphäre einer üblichen Sprechstunde -vertraulich und störungsfrei- zu gewährleisten und die Privatsphäre zu schützen. 

Zudem dürfen Videosprechstunden nur von bestimmten Fachärzten durchgeführt und abgerechnet werden wie z. B. von Hausärzten, Kinder- und Jugendärzten, Augenärzten, Chirurgen, Psychiater oder Urologen. Online-Sprechstunden können hauptsächlich bei Verlaufskontrollen wie z. B. einer Operationswunde, einer chronischen bzw. offenen Wunde, bei Beurteilung der Stimme oder des Sprechens, bei Patientenrückfragen etc. eingesetzt werden.

 

Vor- und Nachteile einer Online-Sprechstunde:

Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass sowohl Ärzte als auch Patienten von einer

Videosprechstunde profitieren. Durch die räumliche Flexibilität können Ärzte Zeit sparen und ihre Arbeitsabläufe optimieren. Sämtliche Hausbesuche und Sprechstunden von Patienten vor Ort (hauptsächlich von denen mit leichter Erkältung oder einer Krankschreibung) entfallen. Auch das Praxispersonal wird durch das rückläufige Patientenaufkommen und den sinkenden Verwaltungsaufwand entlastet.

Für Patienten ist es von Vorteil, dass sie keine langen Anfahrtswege auf sich nehmen müssen und lange Wartezeiten in der Praxis entfallen. Des Weiteren führt die Videosprechstunde zur Verbesserung der ärztlichen Versorgung von Patienten in Regionen mit geringer Ärztedichte. 

Anzumerken ist jedoch, dass Videosprechstunden den Arztbesuch niemals ersetzen können. Schwere komplexe Erkrankungen müssen nach wie vor in der Praxis untersucht werden. Des Weiteren entfällt bei der Untersuchung via Bildschirm die direkte körperliche Untersuchung wie das Tasten, Fühlen und Riechen, und die Qualität des Sehens ist abhängig von der Auflösung der Kamera. Zu bedenken ist auch, dass älteren Menschen der Umgang mit technischen Geräten wie PC, Laptop oder Smartphone schwer fällt und sie damit vertraut gemacht werden müssen.

 

 

Weitere telemedizinische Verwendungsmöglichkeiten

 

Telemonitoring: Telemonitoring bezeichnet das Überwachen des Gesundheitszustandes von Patienten in deren gewohnter Umgebung, anhand von Vitalparametern wie Blutdruck, Herzfrequenz, Gewicht, Blutzucker. Die drahtlose Übertragung medizinischer Daten an den Haus- bzw. Facharzt oder das Krankenhaus erfolgt über Telemetriesysteme entweder zeitversetzt oder in Echtzeit. Der Einsatz von Telemonitoring erweist sich vor allem bei chronischen Krankheiten als vorteilhaft wie z. B. bei Diabetes, Lungenerkrankungen, Fettleibigkeit, Herzschwäche etc., da diese einer kontinuierlichen Betreuung bedürfen. Zudem ermöglicht die Überwachung aus der Ferne das frühzeitige Eingreifen bei auffälligen Werte sowie Komplikationen. Dadurch können Todesfälle vermieden, Folgeerkrankungen verhindert, unnötige Krankenhausaufenthalte/Arztbesuche sowie Kosten reduziert werden. Die Fernüberwachung verbessert somit die medizinische Versorgungsqualität und führt zur Erhöhung der Lebensqualität von chronisch kranken Menschen.

 

Telediagnostik: Unter Telediagnostik versteht man die gleichzeitige Begutachtung medizinischer Daten von mehreren, räumlich voneinander getrennten Teilnehmern zu Ermittlung einer Diagnose.

 

Telechirurgie: Telechirurgie bezeichnet Operationen, bei denen vom Arzt gesteuerte und kontrollierte Robotersysteme oder Telekommunikationstechniken zum Einsatz kommen. Dabei handeln diese nicht eigenständig, sondern führen die vom Arzt gegebene Bewegungen durch. Der Einsatz von Robotersystemen ermöglicht somit, Operationen auch über größere Entfernungen hinweg auszuführen.

Unterteilt wird die Telechirurgie in „long distance“ und „short distance“. Bei long distance Operationen ist der Chirurg weit entfernt vom Patienten, ein weiterer Operateur muss jedoch vor Ort anwesend sein, sodass bei Komplikationen der Wechsel zu herkömmlicher Operationsmethode gewährleistet wird.

Bei short distance Operationen hingegen befindet sich der Chirurg meistens im Operationssaal oder im Nebenraum. So besteht die Möglichkeit, minimalinvasive Operationstechniken durchzuführen oder bei Komplikationen direkt einzugreifen. Ein weiterer Chirurg ist hierbei nicht notwendig.

 

Teledermatologie: Eine der am weitesten verbreiteten telemedizinischen Anwendung stellt die Teledermatologie dar, da die Dermatologie aufgrund des visuellen Aspektes für den Einsatz am besten anwendbar ist. Durch die elektronische Übertragung von dermatoskopischen Bildern, Untersuchungsbefunden lässt sich die Diagnose von Hauterkrankungen mittels Teledermatologie genauso gut wie in einer klinischen Untersuchung stellen.

Die Teledermatologie bietet u. a. den Informations- und Meinungsaustausch von Dermatologen untereinander, aber auch die Gelegenheit, die Meinung eines Spezialisten heranzuziehen, in dem Falle eines Dermatologen, der mit seinem Fachwissen über Entfernungen hinweg den Allgemeinmediziner unterstützten kann.

Auch hier erweist sich die Teledermatologie besonders für nicht mobile Menschen als besonders vorteilhaft, da lange Anfahrtswege zur Praxis entfallen und räumliche Distanzen mittels moderner Informations- und Kommunikationstechnologien überbrücken werden. Zusätzlich erfolgt ein Wissensaustausch unter Spezialisten, was wiederum die ärztliche Versorgungsqualität von Patienten erhöht.

 

Telepathologie: Ein wichtiger Teilbereich der Telemedizin stellt die Telepathologie dar. Besonders vorteilhaft ist dieser Teilbereich, wenn kein Spezialist bzw. Pathologe vor Ort ist oder wenn die Klinik keine pathologische Abteilung besitzt.

Grundsätzlich lässt sich die Telepathologie in zwei Bereiche unterteilen: „Telebefundung“ und „Telekonsultation“. Unter „Telebefundung“ versteht man die Fernsteuerung eine Mikroskops durch einen Pathologen. Dieser ist während der Operation mittels moderner Telekommunikation mit dem Operationssaal verbunden. Die zu untersuchende Gewebeprobe, welche unter das Mikroskop gelegt wird, erscheint am Bildschirm des Pathologen, der mit einer Mikroskopie-Gegenstation ausgerüstet ist. Dieser kann von der Ferne das Mikroskop steuern und seine Diagnose stellen. Die „Telekonsultation“ hingegen bezeichnet das Einholen einer Zweitmeinung. Hierbei werden Pathologie-Daten bzw. gescannte Gewebeproben an das pathologische Labor elektronisch übertragen, wo sie mittels virtueller Mikroskopie analysiert werden. Die Ergebnisse können innerhalb weniger Minuten ausgetauscht werden. Somit erspart die Telepathologie lange Entscheidungsprozesse sowie Wartezeiten und verbessert die Schnelligkeit und Qualität der Diagnose.

 

Die oben genannten Beispiele verdeutlichen nochmal die Wichtigkeit der Telemedizin im Gesundheitswesen. Sowohl Patienten als auch Ärzte profitieren von den unzähligen Vorteilen und Möglichkeiten. In Deutschland ist die Telemedizin jedoch nicht  weit verbreitet. Deshalb sollten  die Hürden aus dem Weg geräumt und die Verbreitung von Telemedizin gefördert werden.

 

Quellen:

https://hausaerzteverband-brandenburg.de/2018/05/29/argumente-gegen-eine-ausschliessliche-fernbehandlung/

 

https://www.patientus.de/wp-content/uploads/2018/08/Patientus-Whitepaper-Videosprechstunde_August-2018.pdf

 

https://www.kbv.de/media/sp/KBV_PraxisWissen_E_Health_2016.pdf

 

https://www.elektronikpraxis.vogel.de/sprechstunde-per-video-digitale-kommunikation-im-gesundheitswesen-a-875030/

 

https://www.gesundheit-adhoc.de/doccura-ihre-online-videosprechstunde-videosprechstunden-ein-neuer-weg-mit-ihrer-arztpraxis-zu.html

 

https://www.digital-ratgeber.de/e-health/telemedizin-der-digitale-draht-zur-arztpraxis-556907.html

 

https://www.kbv.de/html/videosprechstunde.php

 

https://www.allgemeinarzt-online.de/a/videosprechstunde-ersetzt-keine-aerzte-und-schafft-distanz-1815331

 

https://egesundheit.nrw.de/wiki/telemonitoring/

https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/telemedizin-hilft-herzinsuffizienz-patienten

 

https://hdms.bsz-bw.de/frontdoor/deliver/index/docId/473/file/1diplomarbeit.pdf

 

http://campar.in.tum.de/twiki/pub/Chair/TeachingWs04MedInform/Telemedizin_Ausarbeitung.pdf

 

https://www.telemedallianz.de/themenfelder/telemedizin/telechirurgie/

 

https://publikationen.uni-tuebingen.de/xmlui/bitstream/handle/10900/44776/pdf/Dokti_Original.pdf?sequence=1&isAllowed=y

 

https://www.asu-arbeitsmedizin.com/schwerpunkt/teledermatologie-chancen-fuer-die-arbeitsmedizin

 

https://epub.ub.uni-greifswald.de/frontdoor/deliver/index/docId/1411/file/diss_kroos_kristin.pdf

 

https://www.onlinesprechstunden.org/online-sprechstunden-haeufige-fragen/

 

Praxis und Computer, Organisation Abrechnung Fachanwendung

Herausgeber Dr. med. Otfrid P. Schaefer

Gunther Eysenbach, Erlangen

Werner Lamers, Billerbeck

 

Krankenhaus-Report 2019: Das digitale Krankenhaus

herausgegeben von Jürgen Klauber, Max Geraedts, Jörg Friedrich, Jürgen Wasem

 

 

https://www.aerzteblatt.de/archiv/201378/Telepathologie-Der-Befund-aus-der-Ferne

 

https://www.mindtecstore.com/Telemedizin-13-Bereiche-die-sich-in-unserem-Leben-voellig-veraendern-werden

 

https://www.telemedbw.de/digitalegesundheit/telemedizin-und-ihre-anwendungsgebiete

 

https://www.netdoktor.at/zukunft/telemedizin-ehealth-8469539

https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/gesundheit-pflege/aerzte-und-kliniken/telemedizin-was-die-fernsprechstunde-fuer-patienten-moeglich-macht-41154

 

https://www.bundestag.de/resource/blob/191840/f03a819a557bc16821678aa947afe076/telemedizin-data.pdf