Klinische Prüfungen von Medizinprodukten stellen für viele Medizinprodukte-Hersteller eine große Herausforderung dar, da diese durch die neue europäische Medizinprodukteverordnung MDR noch spezifischer und noch komplexer geworden sind.
Hersteller von medizinischen Produkten sind verpflichtet, die Sicherheit und Leistung des Medizinproduktes in Form einer klinischen Bewertung nachzuweisen.
Laut Definition versteht man unter einer klinischen Bewertung „einen systematischen und geplanten Prozess zur kontinuierlichen Generierung, Sammlung, Analyse und Bewertung der klinischen Daten zu einem Produkt.“
Dadurch soll nachgewiesen werden, dass das Medizinprodukt den Sicherheits- und Leistungsanforderungen entspricht und mögliche unerwünschte Nebenwirkungen ausgeschlossen werden. Um solch eine Bewertung durchführen zu können sind klinische Daten notwendig, die – falls in der Literatur nicht ausreichend vorhanden – mittels der klinischen Prüfung erhoben werden müssen.
Was versteht man unter einer klinischen Prüfung?
Laut MDR Artikel 2 Absatz 45 versteht man unter einer klinischen Prüfung die „systematische Untersuchung, bei der ein oder mehrere menschliche Prüfungsteilnehmer einbezogen sind und die zwecks Bewertung der Sicherheit oder Leistung eines Produkts durchgeführt wird.“
Hierbei spricht man öfters auch von „klinischen Studien“, wobei sich dieser Begriff lediglich auf die Untersuchung von Arzneimitteln bezieht.
Regulatorische Anforderungen
Die Qualitätsanforderungen zur Durchführung von klinischen Prüfungen bei Medizinprodukten werden grundsätzlich durch die ISO 14155 „Klinische Prüfung von Medizinprodukten an Menschen — Gute klinische Praxis“ gelegt.
Auch hier greift die neue europäische Medizinprodukteverordnung MDR und ersetzt alle bestehenden Richtlinien (MDD, AIMD). Aufgrund der neuen Klassifizierungsregeln gilt nun die Vorschrift, für alle Medizinprodukte (Medizinprodukte Klasse I bis III sowie aktive implantierbare Medizinprodukte) eine klinische Bewertung durchzuführen.
In folgenden Ausnahmefällen ist jedoch eine klinische Prüfung nach Artikel 61 Abs. 4 (MDR) nicht notwendig:
- Wenn das Produkt durch Änderungen eines bereits von demselben Hersteller in Verkehr gebrachten Produkts konzipiert wurde.
- Wenn der Hersteller nachgewiesen hat, dass das geänderte Produkt dem in Verkehr gebrachten Produkt gemäß Anhang XIV Abschnitt 3 gleichartig ist, und dieser Nachweis von der benannten Stelle bestätigt worden ist.
- Wenn die klinische Bewertung des in Verkehr gebrachten Produkts ausreicht, um nachzuweisen, dass das geänderte Produkt die einschlägigen Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllt.
Darüber hinaus besteht die Ausnahme für implantierbare Produkte und Produkte der Klasse III, welche rechtmäßig in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen wurden und deren klinische Bewertung sich auf ausreichende klinische Daten stützt und mit den einschlägigen Produktspezifikationen für die klinische Bewertung dieser Art von Produkten im Einklang steht (Artikel 61, Abs. 6a).
Darunter fallen Produkte wie z. B. Nahtmaterial, Klammern, Zahnfüllungen, Zahnspangen, Zahnkronen, Schrauben, Keile, Zahn- bzw. Knochenplatten, Drähte, Stifte, Klemmen oder Verbindungsstücke. Sind ausreichende klinische Daten vorhanden und stehen diese im Einklang mit den einschlägigen Produktspezifikationen, ist die klinische Prüfung nicht mehr notwendig (Artikel 61, Abs. 6b).
Weitere Anforderungen:
Des Weiteren schreibt die MDR nach Artikel 33 Abs. 1 Ziffer c den Herstellern vor, alle erhobenen Daten in die Datenbank EUDAMED einzutragen, wodurch u. a. der schnelle Zugriff auf die jeweiligen Informationen durch die zuständige Benannte Stelle erleichtert und die Marktüberwachung verbessert werden soll.
Methode der klinischen Prüfung
Im Anhang XV der MDR werden allgemeine Anforderungen der klinischen Prüfungen ausführlich dargestellt. Demnach muss ein „angemessener Prüfplan“ erstellt werden, wonach klinische Prüfungen von einer ausreichenden Zahl vorgesehener Anwender in einer klinischen Umgebung durchgeführt werden, die für die Verwendungsbedingungen des Produkts bei der Zielgruppe repräsentativ ist (MDR Anhang XV, Kapitel 1, 2.4.).
Dabei werden alle sicherheitstechnischen sowie leistungsbezogenen Eigenschaften berücksichtigt. Ausserdem ist die Erstellung eines Verzeichnisses notwendig, um die technischen und funktionalen Merkmale des Produktes und die klinischen Ergebnisse aufzuzeichnen. Ziel der klinischen Prüfung ist somit die Zweckbestimmung, den klinischen Nutzen sowie die Leistung und die Sicherheit des Produkts anhand wissenschaftlicher Methoden festzulegen und zu bewerten (Anhang XV, Kapitel 1, 2.6).
Die Prüfung erfolgt anhand eines Handbuchs, indem zahlreiche Informationen zu dem Prüfprodukt vorhanden sind. Informationen die zur Prüfung herangezogen werden, sind u. a. die Kennzeichnung und Beschreibung des Produkts, Herstellerangaben, die vorklinische Bewertung sowie bereits vorliegende klinische Daten oder die Zusammenfassung des Risikomanagements.
Es erfolgt eine kritische Prüfung der Ergebnisse und Daten durch Prüfärzte, die Zugang sowohl zu den technischen als auch zu den klinischen Daten des Produkts haben.
Die neue MDR stellt somit noch höhere Standards bzgl. der Qualität von Medizinprodukten und Patientensicherheit als die bisher bestehenden gesetzlichen Regelungen und erfordert viel kosten- sowie zeitintensive Prozesse.
Quellen:
https://www.clinfo.eu/klinische-bewertung-mdr/
https://www.devicemed.de/klinische-studien-fuer-medizinprodukte-a-777673/
https://www.mdr-services.de/mdr-beratung-services/klinische-bewertung-klinische-pruefung
https://www.johner-institut.de/blog/regulatory-affairs/klinische-pruefungen-von-medizinprodukten/
https://www.sfg.at/e/mdr-klinische-pruefung-bewertung-von-medizinprodukten/
https://www.devicemed.de/din-en-iso-14155-klinische-pruefung-von-medizinprodukten-a-441504/
https://mec-abc.de/dienstleistungen-clinical-affairs/klinische-pruefung/
https://profzenner.org/downloads/doc1_18_-handbuch-kurz__zenner.pdf
https://www.johner-institut.de/blog/regulatory-affairs/klinische-pruefungen-von-medizinprodukten/
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017R0745&from=DE